Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Pauschalreisende im Rahmen der Minderungsrechte bei Mängeln der Urlaubsreise einen Anspruch auf volle Rückerstattung des Reisepreises haben können, auch wenn zwar einzelne Leistungen erbracht wurden, die Mängel jedoch so gravierend sind, dass die Reise ihren Zweck verliert.
Im konkreten Fall ging es um zwei Urlauber in Albanien, deren Hotelpool, Strandpromenade und Meerzugang abgerissen wurden. Das Urteil stärkt die Rechte von Reisenden und verdeutlicht, dass Veranstalter selbst bei Teilleistungen nicht automatisch von ihrer Verantwortung befreit sind.
(EuGH, Urteil vom 23.10.2025 – C-469/24)
Hintergrund des Falls
Abriss des Pools, Baustellenlärm von früh bis spät, kein Zugang zum Meer und lange Schlangen vor dem Buffet – für zwei polnische Reisende wurde der All-Inclusive-Urlaub in einem Fünf-Sterne-Hotel in Albanien zum Albtraum.
Statt Erholung erwarteten sie Abbrucharbeiten an Pool, Strandpromenade und Meerzugang, gefolgt von neuen Bauarbeiten zur Aufstockung des Hotels. Selbst das Essen war knapp – die Gäste mussten pünktlich erscheinen, um überhaupt etwas zu bekommen.
Die Betroffenen forderten daraufhin die vollständige Erstattung des Reisepreises sowie Schadensersatz. Das polnische Gericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor (Urteil vom 23.10.2025 – C-469/24).
Entscheidung des EuGH
Der EuGH stellte klar:
Ein Reisender kann auch dann die volle Rückzahlung des Reisepreises verlangen, wenn einzelne Reiseleistungen erbracht wurden, die Mängel aber derart schwerwiegend sind, dass die Reise zwecklos wird und objektiv kein Interesse mehr daran besteht.
Damit erweitert der EuGH den Anspruch auf Rückzahlung über den Fall hinaus, dass gar keine Leistungen erbracht wurden. Entscheidend ist die Schwere der Mängel und die Verlust des Reiseinteresses aus Sicht eines objektiven Durchschnittsreisenden.
Kein automatischer Schadensersatz
Beim Schadensersatz zieht der EuGH allerdings eine klare Grenze:
Die Pauschalreiserichtlinie bezwecke keine Bestrafung des Reiseveranstalters, sondern lediglich die Wiederherstellung des vertraglichen Gleichgewichts.
Der Reiseveranstalter haftet also nicht, wenn er nachweisen kann, dass die mangelhafte Erbringung der Leistungen auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist – etwa behördliche Anordnungen, die nicht vorhersehbar oder vermeidbar waren.
Behördlicher Abriss als außergewöhnlicher Umstand?
Im konkreten Fall wurde der Abriss von Pool und Promenade behördlich angeordnet. Der EuGH lässt offen, ob dies als „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand“ gilt – weist aber darauf hin, dass solche Maßnahmen in der Regel vorher angekündigt und transparent beschlossen werden.
Das nationale Gericht muss nun prüfen, ob der Veranstalter oder der Hotelbetreiber über die behördliche Entscheidung informiert waren.
Wenn ja, war die Situation vorhersehbar, und der Veranstalter bleibt schadensersatzpflichtig.
Bedeutung für Reisende
Das Urteil stärkt die Rechte von Reisenden erheblich:
- Volle Rückerstattung möglich, selbst wenn einzelne Reiseleistungen erbracht wurden.
- Maßgeblich ist, ob die Reise objektiv keinen Erholungswert mehr hatte.
- Reiseveranstalter können sich nur schwer auf außergewöhnliche Umstände berufen, wenn sie über behördliche Maßnahmen informiert waren oder diese vorhersehbar waren.
Bitte beachten Sie: Auch bei gravierenden und offensichtlichen Mängeln, müssen Sie diese gegenüber dem Reiseveranstalter anzeigen! Unterlassen Sie das, kann Ihnen bares Geld entgehen!
Näheres hierzu finden Sie unter meinem Blogeintrag: Kurz erklärt: Rechte bei Mängeln
Fazit
Mit seinem Urteil vom 23.10.2025 (C-469/24) stellt der EuGH klar:
Reisende müssen sich gravierende Mängel nicht gefallen lassen. Wenn die Reise ihren Zweck verliert, kann der gesamte Reisepreis zurückverlangt werden – selbst dann, wenn ein Teil der Leistungen erbracht wurde.
Für Veranstalter bedeutet das: Sie müssen Baustellen, behördliche Eingriffe und sonstige Störungen frühzeitig prüfen und offenlegen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.


